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Kwibuka 29

Wie im letzten Blogeintrag erwähnt, sind hier wieder die Bilder: https://drive.google.com/drive/folders/1r1sPsKrrC6DoJeeklcA-Nob45PgbAd0I?usp=sharing

Zurück in Nyanza neigte sich auch der 2. Term dem Ende entgegen, was bedeutete, dass wir wieder Noten machen mussten. Nachdem wir im ersten Term Sprints benoteten, war dieses Mal der Weitwurf mit Tennisbällen dran. Zudem hatten wir mittwochs (22. März) unser erstes Treffen mit den Nachfreiwilligen, wo wir uns ein wenig kennen lernen und bereits offene Fragen beantworten konnten. Leider werde ich aufgrund meines Studiums bereits wieder in Deutschland sein, wenn diese übernehmen werden und kann sie so nicht mehr "einlernen". In der darauffolgenden Woche war dann mittwochs die Abschlusszeremonie des Terms mit Übergabe der Zeugnisse. Jede Klasse hatte eine kleine Aufführung vorbereitet und es wurden präsentiert, was man im vergangen Term gelernt hatte. Im Anschluss daran aßen wir mit den Lehrer gemeinsam, allerdings ohne Katharina, die leider krank im Bett lag. In den Ferien ging es für mich erstmal nach Kigali, wo wir am 2. April in Ibrahims Geburtstag reinfeierten.

Wir schenkten Ibrahim einen Ausflug in den Nyungwe Nationalpark. Dementsprechend machten sich Georg, Hannah, Ibrahim und ich am 5. April morgens auf in den Südwesten Ruandas. Leider war uns am Abend vorher noch unser Autovermieter abgesprungen, weil er plötzlich mehr Geld verlangte. Deswegen kümmerten wir uns morgens um 7 Uhr noch nach einem neuen Auto. Irgendwann hatten die Kigali Leute eines gefunden und waren so gegen 12 Uhr bei mir in Nyanza. Vollgepackt mit einem Kilo Karotten, selbst gebackenem Brot und 20 hartgekochten Eier, stieg ich zu. Da Ibrahim und Georg beide keinen Führerschein haben und Hannah ihren erst eine Woche vor der Ausreise bekommen hatte, durfte ich als erfahrenster Autofahrer direkt mal hinters Steuer und es war richtig cool, mal wieder Auto zu fahren. Da die Zeit schon soweit fortgeschritten war, entschieden wir uns doch nicht in den Nyungwe zu fahren und stattdessen den Tag in Huye zu verbringen. Nachdem dort alles gesehen war (Ethnografisches Museum und ein Chinarestaurant) und wir unsere Vorräte aufgefüllt hatten, machten wir uns auf den Weg in den Nyungwe. Kurz bevor dieser anfängt hielten wir nochmal an und riefen beim Visitor Center an, um sicherzugehen, dass wir dort zelten könnten. Das wurde uns bestätigt und so manövrierte ich uns durch die Dunkelheit um unzählige Schlaglöcher bis wir am Visitor Center ankamen. Dieser lag komplett verlassen im Dunklen. Nur ein Nachtwächter war noch da, welcher für uns eine Verantwortliche anrief. Dummerweise hatten wir in Huye vergessen eine Coronatest zu machen (der damals noch notwendig war), deswegen durften wir nicht dort schlafen und uns blieb nichts anderes übrig, als weiter durch den Paark zu fahren und auf der anderen Seite nach einem Guesthouse zu suchen. Leider waren alle Ho(s)tels jenseits unserer Preisvorstellungen und so blieb uns nichts anderes übrig als auf einem Parkplatz im Auto zu übernachten. Nach einer kurzen und unbequemen Nacht im Toyota RAV 4, machten wir uns erstmal noch auf den Weg an den Kivusee, wo die nächste Tankstelle war. Danach suchten wir noch das Gisakura Health Center auf, bevor wir endlich wieder am Uwinka Visitor Center waren. Die Wanderung (Imbaraga Trail) war sehr schön, auch wenn ich sie schon zum zweiten Mal gelaufen bin. Als wir am Ende der Wanderung waren, fing es plötzlich an zu schütten, als gäbe es kein morgen. Komplett durchnässt kamen wir deshalb am Visitorcenter an, wo wir als Entschädigung noch kleine Affen sahen. Dann hieß es umziehen und zurück nach Kigali, weil wir bis 19 Uhr das Auto abliefern sollten. Ein Zwischenstopp gab es noch in Nyanza, wo wir kurz essen waren und ich ein Teil meiner Sachen ablegte. Aufgrund von stockendem Verkehr auf der RN1 zwischen Runda und Kigali, hielten wir die Abgabefrist zwar nicht mehr ein, was aber auch nicht weiter schlimm war.


Ein wichtiges, wenn auch dunkles Kapitel in der Geschichte Ruandas ist der Genozid 1994 gegen die Tutsi. Dieser startete am 7. April 1994, nachdem am Vorabend das Flugzeug des damaligen Präsidenten Habyarimana abgeschossen wurde. Bis heute ist ungeklärt, wer für den Abschuss verantwortlich war. Noch in der gleichen Nacht wurde durch die Regierung der ethnischen Mehrheit der Hutu im Radio zum Mord an der ethnischen Minderheit der Tutsi aufgerufen, die für den Abschuss verantwortlich gemacht wurden. Dem vorausgegangen waren jahrelange Propaganda und übelste „Meinungsmache“ gegen die Tutsi. Bereits 1990 begann ein Bürgerkrieg, bei dem die nach der Revolution von 1959-1962 vertriebenen Tutsi versuchten, ihr Land zurückzugewinnen. Der Flugzeugabsturz war letztendlich „nur“ der endgültige Auslöser in Kombination mit dem Vorausgegangenen, für das was folgen sollte. In 100 Tagen wurden insgesamt 800.000 Ruander (überwiegend Tutsi, aber auch Twa und gemäßigte Hutu) getötet. Den ganzen Genozid mit Vorgeschichte würde hier den Rahmen sprengen, deshalb verweise ich hier auf die Wikipediaseite: https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda

Am 7. April startete daher auch "Kwibuka 29", die "Commemoration of the International Day of Reflection on the 1994 Genocide against the Tutsi in Rwanda" (zu deutsch das Gedenken an den internationalen Tag der Besinnung an den Genozid 1994 gegen die Tutsi in Ruanda). Während der Commemorationweek werden verschiedene Verbote ausgesprochen, damit das Erinnern und Trauern erleichtert wird. So ist es beispielsweise nicht erlaubt laut Musik zu hören, Mannschaftssport zu machen und alle Events außer solche im Bezug auf Kwibuka sind ausgesetzt.

Die Gedenkwoche startet am Genocide Memorial in Gisozi in Kigali, wo die Flamme der Erinnerung entzündet wird. Abends findet dann normalerweise am Convention Center der Walk of Remembrance statt. Dieses Jahr fiel er allerdings aus, was uns nur keiner gesagt hatte, also waren wir zum Zeitpunkt, als er starten sollte ziemlich alleine und verwundert. Sonntags (9. April) war ein Event für die Jugend mit dem Motto "Forget not our Past", welches ich gemeinsam mit Georg, Ibrahim, Hannah, Katharina und Nelio sowie seinem Besuch aus Deutschland besuchte. Es gab verschieden Interviews mit Zeitzeugen und einem Autor. Darüber hinaus wurde ein Theaterstück sowie mehrere Gedichte vorgetragen.

Während der Woche gab es auch mehrere Aufführungen vom Theaterstück "Hate Radio" im Convention Center, die leider allesamt online schon ausgebucht waren. Nichtsdestotrotz versuchten Georg, Katharina und ich am Montag den 10. April unser Glück, indem wir - pünktlich wie die Maurer - zum Einlass am teuersten Gebäude Afrikas waren, um nach Resttickets zu fragen. Wir hatten tatsächlich Glück und bekamen noch 3 Plätze. Die Aufführung war sehr interessant und überwältigend. Das Stück beginnt mit den Berichten von Ruandern, die als Kinder selbst Zeugen des Genozids wurden. Auch eine Gast des Landes zu Beginn der Verbrechen und einer der Mitverbrecher des Genozids Georges Ruggiu erzählen von damals. Nach den kurzen Eröffnungsmonologen beginnt die eigentliche Radiosendung. Die nächsten ein einhalb Stunden bestehen aus ununterbrochenem Hass. Die drei Moderatoren reden sich gemeinsam in Rage und scheinen sich stets in ihrer Abneigung gegenüber den Tutsis (Nickname „Inyenzi“ zu deutsch Kakerlake) steigern zu wollen. Gemeinsam wird gegen Tutsis, die RPF und ihren Anführer Paul Kagame, den Westen, das Ausland (vor allem Uganda), die UNO und ihre

„Friedensmission“ gehetzt. Unterlegt wird der Wahn von westlicher Musik. Auf wilde Beschimpfungen folgt „I like to move it“ von Reel 2 Real. Währenddessen wird in großen Massen Alkohol „gesoffen“, geraucht und gekifft. Es wird aktiv zum „Schlachten von Tutsis“ aufgerufen. Wie beim westlichen Vorbild haben Hörer die Möglichkeit durch Anrufe in die Sendung zu kommen. Hörer können bei Quiz mitmachen, sich Lieder wünschen, oder Fragen stellen. Nur das hier Kinder anrufen, um zu fragen, ob auch sie schon alt genug seien, um einen Tutsi zu ermorden, oder Erwachsene die Adressen ihrer Nachbarn verraten, weil sie Tutsi sind, damit diese vom Mob umgebracht werden können. Der Soldat, der das Geschehen die ganze Zeit stumm beobachtet, stellt die Nähe zur Regierung dar, die die Propaganda fördert. Nach schier endlosen 90 Minuten kommt die Sendung zu einem Ende. Die Erzähler vom Beginn des Stückes kommen zurück und erzählen ihre Geschichte von unmittelbar nach dem Genozid (Rückkehr ins Heimatdorf, in dem die eigenen Eltern und Geschwister ermordet wurden) und wie die Erfahrungen von damals sie auch heute noch beeinflussen und traumatisieren. Nach dem Stück gab es noch eine Fragerunde mit den mitwirkenden Schauspielern und Experten für die Ereignisse von 1994.

Dann war die Gedenkwoche auch schon wieder vorbei und für uns startete der dritte und damit letzte Term.

Soweit erstmal wieder von mir, es ist ja nur noch knapp ein Monat, bis ich wieder in der Heimat bin. Ich versuche bis dahin noch so gut wie möglich die Differenz zwischen Blog und Gegenwart aufzuarbeiten.

Bis zum nächsten Mal,

Viele Grüße,

Euer Jannes

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